Kinderwunsch

Unfruchtbarkeit: Das sind die häufigsten Ursachen bei beiden Geschlechtern

MEDICALLY REVIEWED
Unfruchtbarkeit: Das sind die häufigsten Ursachen bei beiden Geschlechtern


Das Wichtigste vorab

  • Unfruchtbarkeit ist ein sensibles Thema, das viele Paare betrifft und oft mit psychischer Belastung einhergeht. Etwa jedes sechste Paar in Deutschland hat Schwierigkeiten, auf natürlichem Weg ein Kind zu zeugen.
  • In diesem Artikel beleuchten wir die häufigsten Ursachen für Unfruchtbarkeit bei beiden Geschlechtern, gehen auf Risikofaktoren ein, erklären medizinische Ursachen und stellen Diagnosemöglichkeiten sowie verschiedene Behandlungsmethoden, einschließlich der künstlichen Befruchtung, vor.
  • Erfahre, welche Faktoren die Fruchtbarkeit beeinflussen und wie moderne medizinische Verfahren euch helfen können, eure Chancen auf eine Schwangerschaft zu verbessern.

Unfruchtbarkeit ist ein sensibles Thema, das viele Paare betrifft und oft mit psychischer Belastung einhergeht. Etwa jedes sechste Paar in Deutschland hat Schwierigkeiten, auf natürlichem Weg ein Kind zu zeugen. Die Ursachen für ungewollte Kinderlosigkeit sind vielfältig und können sowohl bei Frauen* als auch bei Männern* liegen. Stress, Lebensstil und medizinische Faktoren spielen dabei eine wichtige Rolle.

In diesem Artikel beleuchten wir die häufigsten Gründe für Unfruchtbarkeit bei beiden Geschlechtern. Wir gehen auf Risikofaktoren ein, erklären medizinische Ursachen und stellen Möglichkeiten zur Diagnose vor. Zudem informieren wir über verschiedene Behandlungsoptionen, einschließlich der künstlichen Befruchtung.

Definition und Häufigkeit von Unfruchtbarkeit

WHO-Definition

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert Unfruchtbarkeit als die Unfähigkeit, nach mehr als zwölf Monaten regelmäßigen, ungeschützten Geschlechtsverkehrs schwanger zu werden. Diese Definition gilt sowohl für Männer* als auch für Frauen*. In der Fachsprache werden die Begriffe Sterilität und Infertilität oft synonym verwendet, obwohl sie ursprünglich unterschiedliche Bedeutungen haben.

Sterilität bezieht sich auf die Unfähigkeit, eine Schwangerschaft zu erreichen, während Infertilität die Unmöglichkeit beschreibt, eine Schwangerschaft mit der Geburt eines gesunden Kindes abzuschließen. Im medizinischen Kontext ist es wichtig, diese Unterscheidung zu berücksichtigen, um eine präzise Diagnose und Behandlung zu ermöglichen.

Statistiken zur Unfruchtbarkeit

Unfruchtbarkeit ist ein weit verbreitetes Problem. Laut einer Studie der WHO ist etwa jeder sechste Mensch im gebärfähigen Alter zumindest zeitweise unfruchtbar. Global sind 17,5 % aller Männer* und Frauen* an einem Punkt in ihrem Leben von der Unfähigkeit betroffen, ein Kind zu zeugen.

In der Schweiz bleibt ungefähr jedes fünfte Paar ungewollt kinderlos. Weltweit hat etwa jedes sechste Paar Schwierigkeiten, innerhalb der ersten zwölf Monate ein Kind zu zeugen und schwanger zu werden.

Primäre vs. sekundäre Sterilität

Es gibt zwei Hauptformen der Unfruchtbarkeit: primäre und sekundäre Sterilität.

  1. Primäre Sterilität: Diese liegt vor, wenn ein Paar noch nie eine Schwangerschaft erzielt hat. Es handelt sich um die Unfähigkeit, eine erste Schwangerschaft zu erreichen, entweder weil sich die männlichen Spermien nicht mit der weiblichen Eizelle vereinigen können oder weil der Embryo sich nicht in der Gebärmutterschleimhaut einnisten kann.
  2. Sekundäre Sterilität: Diese Form tritt auf, wenn ein Paar nach einer vorherigen Schwangerschaft Schwierigkeiten hat, erneut schwanger zu werden. Dies kann auch der Fall sein, wenn eine:r der Partner:innen bereits ein Kind mit einem anderen Elternteil hatte.

Die Ursachen für primäre und sekundäre Unfruchtbarkeit können unterschiedlich sein und sind auf verschiedene Probleme zurückzuführen. Daher erfordert jeder Fall eine individuelle medizinische Abklärung und Behandlung.

Risikofaktoren für Unfruchtbarkeit

Altersbedingte Faktoren

Das Alter spielt eine bedeutende Rolle bei der Fruchtbarkeit, insbesondere bei Frauen*. Ab dem 30. Lebensjahr nimmt die Fruchtbarkeit leicht, ab dem 35. Lebensjahr deutlich und ab dem 40. Lebensjahr sehr stark ab. Dies liegt daran, dass Eizellen nicht neu gebildet werden, sondern mit dem Alter der Frau* abnehmen. Dabei nimmt ihre Qualität ab, und die Wahrscheinlichkeit genetischer Auffälligkeiten steigt.

Bei Männern* ist der Alterungseffekt weniger ausgeprägt, aber dennoch vorhanden. Mit zunehmendem Alter kann sich die Spermienqualität verringern, was die Chancen auf eine erfolgreiche Befruchtung beeinträchtigt.

Lebensstil-Faktoren

Verschiedene Lebensstilfaktoren haben einen erheblichen Einfluss auf die Fruchtbarkeit:

  1. Rauchen: Es schädigt nachweislich die Fruchtbarkeit bei beiden Geschlechtern. Bei Frauen* beeinträchtigt es die Eierstockfunktion und den Hormonkreislauf, bei Männern* die Spermienproduktion und -qualität.
  2. Gewicht: Sowohl Über- als auch Untergewicht können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Übergewicht stört die Funktion der Eierstöcke und das Hormonsystem bei beiden Geschlechtern. Extremes Untergewicht kann bei Frauen* zu Zyklusstörungen führen.
  3. Sport: Übermäßiger Sport kann problematisch sein. Extrem- oder Leistungssport kann den Körper in einen "Fluchtmodus" versetzen, der die Fortpflanzung erschwert.
  4. Stress: Hohe Stressbelastung kann den Zyklus verändern und den Kinderwunsch beeinflussen.
  5. Alkohol und Drogen: Übermäßiger Alkoholkonsum und der Gebrauch von Drogen wie Cannabis können den Hormonhaushalt stören und die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.

Umwelteinflüsse

Umweltfaktoren spielen eine zunehmend wichtige Rolle bei Fruchtbarkeitsproblemen:

  1. Endokrine Disruptoren: Diese Substanzen stören das normale Funktionieren der Hormone. Dazu gehören Bisphenol A (BPA) und Phthalate, die in Konserven oder Wasserflaschen vorkommen.
  2. Schwermetalle: Kadmium, Blei und Quecksilber, die in der Luft industriereicher Gegenden zu finden sind, können die Fruchtbarkeit beeinträchtigen.
  3. Pestizide: Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit Pestiziden und sinkender Spermienqualität.
  4. Chemikalien: Es wird geschätzt, dass jährlich etwa 700 neue Chemikalien auf den nordamerikanischen Markt kommen, deren Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit oft unbekannt sind.

Diese Umweltfaktoren können langfristige Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit haben, einschließlich Störungen der Spermienproduktion, Eierstockfunktion und fötaler Entwicklung.

Medizinische Ursachen der Unfruchtbarkeit

Häufige Ursachen bei Frauen*

Bei Frauen* können verschiedene medizinische Faktoren zu Unfruchtbarkeit führen. Eine häufige Ursache ist eine Beeinträchtigung des Hormonhaushalts. Dies kann dazu führen, dass keine oder nur sehr selten Eizellen heranreifen, der Eisprung ausbleibt oder die Gebärmutterschleimhaut nicht ausreichend auf die Einnistung eines Embryos vorbereitet ist.

Schilddrüsenfunktionsstörungen spielen besonders bei jungen Frauen* eine wichtige Rolle bei ungewollter Kinderlosigkeit. Die Schilddrüsenhormone haben einen Einfluss auf den Zyklus, die Fruchtbarkeit und in der Schwangerschaft auf die Hirnentwicklung des ungeborenen Kindes.

Eine weitere hormonelle Störung ist die Hyperprolaktinämie, bei der der Prolaktinspiegel erhöht ist. Dies kann zu einem unregelmäßigen Zyklus führen und die Eizellreifung beeinträchtigen.

Auch organische Ursachen können eine Rolle spielen. Verklebte, verschlossene oder verwachsene Eileiter, oft als Folge von Entzündungen, Infektionen oder Endometriose, können den Transport der Eizelle stark beeinträchtigen oder sogar unmöglich machen.

Bei etwa einer von 100 Frauen* unter 40 Jahren und einer von 1.000 unter 30 Jahren tritt die vorzeitige Menopause auf, was zu einer verfrühten Erschöpfung der Eizellreserve führt.

Häufige Ursachen bei Männern*

Bei Männern* ist die häufigste Ursache für Unfruchtbarkeit eine eingeschränkte Bildung normaler, gut beweglicher Samenzellen. Eine verminderte Spermienqualität kann sich in verschiedenen Formen zeigen:

  1. Oligozoospermie: Zu wenige Spermien im Ejakulat
  2. Asthenozoospermie: Eingeschränkte Beweglichkeit der Spermien
  3. Teratozoospermie: Zu viele fehlgebildete Spermien

Wenn alle drei Probleme gleichzeitig auftreten, spricht man vom OAT-Syndrom (Oligo-Astheno-Teratozoospermie).

Verschiedene Faktoren können die Spermienproduktion beeinträchtigen:

  • Hodenhochstand in der Kindheit
  • Mumps oder andere Infektionen
  • Krampfadern am Hoden (Varikozele)
  • Genetische Anomalien wie das Klinefelter-Syndrom
  • Umwelteinflüsse wie Schwermetalle oder Pflanzenschutzmittel

Eine weitere häufige Ursache ist die Blockade der Samenwege (obstruktive Azoospermie). Hierbei werden zwar ausreichend Samenzellen gebildet, aber diese gelangen nicht durch die Samenleiter oder Nebenhodengänge in das Ejakulat.

Idiopathische Sterilität

In einigen Fällen kann trotz sorgfältiger Diagnostik keine klare Ursache für die Unfruchtbarkeit gefunden werden. Dies wird als idiopathische Sterilität bezeichnet. Schätzungen zufolge haben zwischen 50 % und 80 % der Paare mit Kinderwunsch je nach Alter der Frau* mit dieser Form der Unfruchtbarkeit zu kämpfen. Bei idiopathischer Sterilität können minimale Veränderungen bei beiden Partner:innen, die für sich genommen den unerfüllten Kinderwunsch nicht erklären, in ihrer Kombination zum Ausbleiben der Schwangerschaft führen.

Trotz fehlender präziser Diagnose können und sollten betroffene Paare mit einer Therapie beginnen. Bei Frauen* unter 35 Jahren wird oft Clomifencitrat zur Stimulation des Eisprungs in Verbindung mit intrauteriner Insemination verordnet. Bei guter Eierstockreserve erzielt man durch die extrakorporale Befruchtung gute Resultate.

Die Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft bleiben auch bei idiopathischer Sterilität bestehen. Etwa ein Viertel der betroffenen Frauen* werden nach einem Jahr ohne medizinische Hilfestellung schwanger.

Diagnose und Behandlungsoptionen

Diagnostische Verfahren

Die Abklärung der Unfruchtbarkeit beginnt mit einer gründlichen Untersuchung beider Partner:innen. Bei Männern* ist die Analyse des Ejakulats die wichtigste Untersuchungsmethode. Hierbei werden Anzahl, Beweglichkeit und Form der Spermien untersucht. Ein normales Spermiogramm (Normozoospermie) nach WHO-Kriterien sollte bestimmte Parameter erfüllen.

Weitere wichtige Untersuchungen bei Männern* umfassen:

  1. Hormonanalysen, insbesondere Testosteron und FSH
  2. Ultraschalluntersuchung des Hodens
  3. Duplexsonographie der Hodengefäße

Bei Frauen* beginnt die Diagnostik mit einem ausführlichen Gespräch und einer körperlichen Untersuchung. Anschließend können folgende Verfahren zum Einsatz kommen:

  1. Ultraschalluntersuchung der Gebärmutter, Eierstöcke und Eileiter
  2. Endokrinologische Untersuchungen zur Überprüfung der Hormonproduktion
  3. Hysterosalpingo-Kontrastsonografie (HSKS) zur Beurteilung der Gebärmutter und Eileiter
  4. Bauchspiegelung (Laparoskopie) und Gebärmutterspiegelung (Hysteroskopie) bei Verdacht auf organische Veränderungen 

Konservative Therapien

Bevor invasive Methoden in Betracht gezogen werden, können konservative Therapieansätze versucht werden:

  1. Gewichtsreduktion bei Übergewicht
  2. Anpassung des Lebensstils (z.B. Reduzierung von Stress, Alkohol und Nikotin)
  3. Hormonelle Stimulation des weiblichen Eierstocks
  4. Behandlung von Grunderkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörungen oder Hyperprolaktinämie 

Bei Männern* kann in bestimmten Fällen eine operative Behandlung einer Varikozele in Erwägung gezogen werden, insbesondere wenn diese ausgeprägt ist und zu einer Verkleinerung des Hodens geführt hat.

Assistierte Reproduktionstechniken

Wenn konservative Methoden nicht zum Erfolg führen, kommen assistierte Reproduktionstechniken (ART) zum Einsatz. Die am häufigsten angewendeten Verfahren sind:

  1. Insemination: Einbringen von Spermien in die Gebärmutter (intrauterine Insemination, IUI)
  2. In-vitro-Fertilisation (IVF): Befruchtung außerhalb des Körpers
  3. Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Direktes Einbringen eines Spermiums in die Eizelle
  4. Kryozyklen: Verwendung eingefrorener Embryonen

Bei der IVF werden Eizellen entnommen, außerhalb des Körpers befruchtet und anschließend in die Gebärmutter übertragen. Die ICSI wird oft bei männlicher Unfruchtbarkeit eingesetzt und verläuft ähnlich wie die IVF, wobei ein einzelnes Spermium direkt in die Eizelle injiziert wird.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Verfahren mit Risiken verbunden sein können, wie zum Beispiel Mehrlingsschwangerschaften oder ein ovarielles Hyperstimulationssyndrom. Die Erfolgsquote einer Sterilitätsbehandlung liegt im Durchschnitt zwischen 10 und 20 %, wobei nur etwas mehr als 10 % der Eltern auch ein Baby mit nach Hause nehmen.

Fazit

Unfruchtbarkeit stellt für viele Paare eine erhebliche Herausforderung dar, die sowohl körperliche als auch emotionale Aspekte umfasst. Die vielfältigen Ursachen, die von Hormonstörungen bis hin zu Umwelteinflüssen reichen, machen eine gründliche Diagnose unerlässlich. Moderne medizinische Verfahren bieten jedoch zahlreiche Möglichkeiten, um Betroffenen zu helfen und ihre Chancen auf eine Schwangerschaft zu verbessern.

Letztendlich ist es wichtig, dass Paare mit unerfülltem Kinderwunsch frühzeitig medizinische Hilfe in Anspruch nehmen. Die Kombination aus Lebensstiländerungen und fortschrittlichen Behandlungsmethoden kann in vielen Fällen zum ersehnten Erfolg führen. Dabei sollten Betroffene nicht die Hoffnung verlieren, denn selbst bei unerklärlicher Unfruchtbarkeit besteht die Möglichkeit einer natürlichen Schwangerschaft.


Medically Reviewed

Dieser Text wurde auf Basis von medizinischer Fachliteratur und aktuellen Studien von Medizinredakteur:innen erstellt. Unser Anspruch ist es, wissenschaftlich zu arbeiten, Quellen kenntlich zu machen und die Inhalte regelmäßig auf ihre Aktualität zu prüfen.

Referenzen & Literatur

  1. Ludwig, M., Diedrich, K., & Nawroth, F. (2020). Was ist „Sterilität “–eine Begriffsbestimmung. Reproduktionsmedizin, 3-9.
  2. Nawroth, F. (2021). Sterilität: Ursachen und Diagnostik. In Die Gynäkologie (pp. 1-10). Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg.
  3. Strünker, T. Reproduktionsmedizin und Endokrinologie.