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Schwangerschaft und Stillen: Kann ich schwanger werden, während ich stille?

MEDICALLY REVIEWED
Schwangerschaft und Stillen: Kann ich schwanger werden, während ich stille?


Das Wichtigste vorab

  • Erfahre in diesem Artikel, wie Stillen deine Fruchtbarkeit beeinflusst und welche Möglichkeiten es gibt, während der Stillzeit schwanger zu werden.
  • Entdecke die WHO-Richtlinien zur Laktationsamenorrhö-Methode und wie du diese unter gewissen Voraussetzungen für deine Empfängnisregelung nutzen kannst.
  • Zusätzlich erhältst du wertvolle Tipps zur Planung einer neuen Schwangerschaft und erfährst, wie eine erneute Schwangerschaft dein stillendes Kind und deine Milchproduktion beeinflussen kann.

Du fragst dich vielleicht, ob du schwanger werden kannst, während du stillst? Diese Frage beschäftigt viele Mütter, die ihre Familienplanung fortsetzen möchten. Stillen und schwanger werden, ist tatsächlich möglich, auch wenn viele glauben, dass dies nicht der Fall ist. Es hängt von verschiedenen Faktoren ab.

In diesem Artikel erfährst du, wie Stillen die Fruchtbarkeit beeinflusst und welche Methoden es gibt, um schwanger zu werden, während du stillst. Wir betrachten die WHO-Richtlinien zur Laktationsamenorrhö und geben dir Tipps zur Planung einer Schwangerschaft während der Stillzeit. Außerdem erklären wir, welche Auswirkungen eine neue Schwangerschaft auf dein stillendes Kind haben kann.

Die WHO-Richtlinien zur Laktationsamenorrhö-Methode (LAM)

Die Laktationsamenorrhö-Methode (LAM) ist eine natürliche Form der Empfängnisverhütung nach der Geburt. Sie basiert auf der Annahme, dass bei stillenden Frauen* der Eisprung unterdrückt wird. Wenn du bestimmte Voraussetzungen erfüllst, kann LAM einen Schutz vor einer Schwangerschaft bieten.

Voraussetzungen für LAM

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat klare Richtlinien für die Anwendung von LAM festgelegt. Um diese Methode zu nutzen, musst du drei wichtige Kriterien erfüllen:

  1. Keine Menstruation: Du hast seit der Geburt keine Menstruationsblutung oder Blutung von mehr als zwei Tagen Dauer gehabt. Blutungen in den ersten zwei Monaten nach der Geburt werden dabei nicht berücksichtigt.
  2. Ausschließliches oder nahezu ausschließliches Stillen: Du stillst dein Baby vollständig oder gibst ihm höchstens ein- bis zweimal pro Woche zusätzliche Nahrung oder Flüssigkeiten.
  3. Alter des Babys: Dein Baby ist jünger als sechs Monate.

Wenn du alle drei Fragen mit "Ja" beantworten kannst, erfüllst du die Anforderungen für LAM. Es ist wichtig zu beachten, dass diese Kriterien als Algorithmus dargestellt werden. Sobald eines dieser Kriterien nicht mehr erfüllt ist, solltest du sofort mit einer anderen Verhütungsmethode beginnen.

Zuverlässigkeit von LAM

Die Zuverlässigkeit von LAM ist in wissenschaftlichen Studien untersucht und bestätigt worden. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, bietet LAM einen Empfängnisschutz von 98-99 %. Diese Sicherheit ist durchaus vergleichbar mit der moderner Verhütungsmittel.

Trotz dieser hohen Zuverlässigkeit ist das Wissen über LAM in der Bevölkerung oft begrenzt. Eine Studie zeigte, dass nur 8 % der befragten Frauen* glaubten, dass ausschließliches Stillen das Risiko einer Schwangerschaft innerhalb von sechs Monaten nach der Geburt "sehr sicher" reduziert. Noch weniger, nämlich nur 2 %, hielten ausschließliches Stillen für effektiver als Verhütungspillen oder Kondome.

Grenzen von LAM als Verhütungsmethode

Obwohl LAM eine effektive Methode sein kann, hat sie auch ihre Grenzen:

  1. Zeitliche Begrenzung: LAM ist nur in den ersten sechs Monaten nach der Geburt anwendbar. Danach steigt die Wahrscheinlichkeit eines Eisprungs vor der ersten Menstruationsblutung.
  2. Strikte Einhaltung der Kriterien: Alle drei Kriterien müssen konsequent erfüllt sein. Sobald eines nicht mehr zutrifft, ist der Schutz nicht mehr gewährleistet.
  3. Einschränkungen beim Abpumpen: Wenn du häufiger als ein paar Mal pro Woche Milch abpumpst, solltest du eine zusätzliche Verhütungsmethode in Betracht ziehen.

Es ist wichtig zu verstehen, dass LAM zwar eine effektive Methode sein kann, aber eine sorgfältige Beobachtung und strikte Einhaltung der Kriterien erfordert. Wenn du dich für LAM interessierst, solltest du die Methode idealerweise vor der Geburt oder spätestens bei der ersten Nachsorgeuntersuchung in deiner gynäkologischen Praxis besprechen. So kannst du sicherstellen, dass du alle Voraussetzungen verstehst und die Methode korrekt anwendest.

Planung einer Schwangerschaft während der Stillzeit

Timing und Abstände zwischen Schwangerschaften

Wenn du darüber nachdenkst, während der Stillzeit schwanger zu werden, ist es wichtig, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt seit 2005, nach einer Entbindung 24 Monate bis zur nächsten Schwangerschaft zu warten. Diese Empfehlung basiert auf Studien, die gezeigt haben, dass kürzere Abstände zwischen Schwangerschaften zu Komplikationen führen können.

Forschungsergebnisse zeigen, dass bei Wartezeiten unter 12 Monaten und über 24 Monaten ein erhöhtes Risiko für Komplikationen besteht. Besonders kritisch sind Abstände von weniger als sechs Monaten, die zu einem deutlich erhöhten Risiko für spontane Frühgeburten führen können. Andererseits können auch zu lange Wartezeiten von mehr als fünf Jahren problematisch sein und das Auftreten von Komplikationen begünstigen.

Basierend auf diesen Erkenntnissen empfehlen Expert:innen eine Wartezeit von 12 bis 18 Monaten zwischen zwei Schwangerschaften. Diese Zeitspanne ermöglicht deinem Körper, sich ausreichend zu erholen und bereitet dich optimal auf eine neue Schwangerschaft vor.

Vorbereitung des Körpers

Die Vorbereitung deines Körpers auf eine neue Schwangerschaft ist entscheidend für deine Gesundheit und die deines zukünftigen Babys. Während dieser Zeit finden wichtige Rückbildungsvorgänge statt. Die meisten Frauen* haben ihre erste neue Regelblutung und damit das Einsetzen des neuen weiblichen Zyklus im ersten halben Jahr nach der Geburt. Dies signalisiert, dass sich die hormonelle Situation wieder umgestellt hat und der Aufbau der Gebärmutter-Schleimhaut wieder stattfindet.

Wenn du per Kaiserschnitt entbunden hast, ist es besonders wichtig, mindestens 18 bis 24 Monate bis zur nächsten Geburt zu warten. Andernfalls besteht ein erhöhtes Risiko für einen Narbenriss, was zu lebensgefährlichen Komplikationen für dich und dein Kind führen kann.

Um deinen Körper optimal vorzubereiten, solltest du:

  1. Auf eine ausgewogene Ernährung achten
  2. Regelmäßig moderate Bewegung in deinen Alltag einbauen
  3. Ausreichend Schlaf und Erholung einplanen
  4. Stress reduzieren und Entspannungstechniken erlernen

Gespräche mit Partner:in und Gynäkolog:in

Bevor du eine neue Schwangerschaft planst, ist es wichtig, offene Gespräche mit deinem Partner oder deiner Partnerin zu führen. Vergewissere dich, dass ihr beide bereit für ein weiteres Kind seid und eure Vorstellungen übereinstimmen. Eine stabile Beziehung und emotionale Unterstützung sind wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Schwangerschaft.

Ebenso wichtig ist ein Gespräch mit deinem Frauenarzt oder deiner Frauenärztin. Sie können dir helfen, die optimale Wartezeit zu ermitteln, die von verschiedenen Faktoren wie deinem Alter und möglichen Vorerkrankungen abhängt. Bei diesem Termin solltest du:

  1. Deine medizinische Vorgeschichte besprechen
  2. Eine gründliche Untersuchung durchführen lassen, einschließlich einer vaginalen Sonographie
  3. Deinen Impfstatus überprüfen lassen, insbesondere für Röteln, Grippe und das Coronavirus
  4. Über mögliche Änderungen in deiner Medikation sprechen, falls du welche nimmst

Dann kann auch der Prolaktinwert durch eine Blutuntersuchung bestimmt werden. Ein zu hoher Wert kann trotz seltenen Stillens einen Eisprung und damit eine Schwangerschaft verhindern.

Denk daran, dass psychische Faktoren ebenfalls eine Rolle spielen können. Stress und unterbewusste Faktoren können die Fruchtbarkeit beeinflussen. Nimm dir die Zeit, deine Gefühle und Motivationen zu reflektieren und sprich offen darüber.

Mit der richtigen Vorbereitung, Geduld und professioneller Unterstützung kannst du den Weg zu einer gesunden Schwangerschaft während der Stillzeit erfolgreich gestalten.

Auswirkungen einer Schwangerschaft auf das stillende Kind

Veränderungen in der Milchzusammensetzung

Wenn du während der Stillzeit erneut schwanger wirst, hat dies Auswirkungen auf deine Milchproduktion und -zusammensetzung. Die Menge der gebildeten Milch verringert sich im Laufe der Schwangerschaft, wobei der Zeitpunkt und das Ausmaß der Veränderung individuell unterschiedlich sind.

Die reife Muttermilch wandelt sich allmählich in Kolostrum um. Dieses ist gelb, dickflüssig und besonders nährstoffreich. Es enthält einen hohen Anteil an Eiweißen, Vitaminen und Antikörpern, ist aber arm an Fetten und Kohlenhydraten. Kolostrum ist bereits ab der 16. Schwangerschaftswoche verfügbar.

Während der Schwangerschaft nimmt der Zuckergehalt der Milch ab, während der Salzgehalt zunimmt. Diese Veränderungen können dazu führen, dass sich der Geschmack und die Textur der Milch für dein stillendes Kind spürbar verändern.

Mögliche Reaktionen des Kindes

Die Veränderungen in der Milchzusammensetzung können verschiedene Reaktionen bei deinem stillenden Kind hervorrufen:

  1. Häufigeres Stillen: Manche Kinder wollen plötzlich öfter an die Brust als zuvor.
  2. Unzufriedenheit: Einige Kinder können quengelig an der Brust werden.
  3. Verändertes Essverhalten: Kinder, die vorher einen großen Teil ihres Nahrungsbedarfs durch Stillen deckten, fangen möglicherweise an, deutlich mehr feste Nahrung zu sich zu nehmen.
  4. Ablehnung: Manche Kinder beschweren sich über den veränderten Geschmack und die Textur der Muttermilch.
  5. Abstillen: Einige Kinder verlieren während der Schwangerschaft allmählich das Interesse am Stillen.

Jedes Kind kann anders reagieren. Manche Kinder pausieren das Stillen während der Schwangerschaft und fangen später wieder damit an, während andere das Stillen ganz aufgeben.

Tandemstillen

Wenn du dich entscheidest, sowohl dein älteres Kind als auch dein Neugeborenes zu stillen, spricht man vom Tandemstillen. Dies kann sowohl Herausforderungen als auch Vorteile mit sich bringen.

Vorteile des Tandemstillens:

  1. Emotionale Verbindung: Viele Frauen* genießen die tiefe emotionale Bindung, die durch das Stillen entsteht.
  2. Ruhepausen: Die Stillzeit kann eine willkommene "stille" Zeit im hektischen Alltag sein.
  3. Unterstützung bei Milchstaus: Ältere Stillkinder können bei Stauungen im Zuge des Milcheinschusses oder bei Milchstaus die Brust effektiv leeren.
  4. Erleichterter Übergang: Das Stillen kann dem älteren Kind helfen, sich an die neue Situation mit dem Geschwisterchen anzupassen.
  5. Geschwisterbindung: Manche Eltern berichten von einer besonders innigen Beziehung zwischen den Geschwisterkindern durch das Tandemstillen.

Herausforderungen beim Tandemstillen:

  1. Erhöhter Nährstoffbedarf: Du musst auf eine ausgewogene Ernährung achten, um den Bedürfnissen beider Kinder gerecht zu werden.
  2. Zeitmanagement: Es ist wichtig, dass du das Neugeborene zuerst anlegst, damit es von den Vorteilen des Kolostrums profitieren kann.
  3. Unangenehme Empfindungen: Manche Mütter empfinden das Stillen des älteren Kindes als unangenehm oder schmerzhaft, während das Stillen des jüngeren Kindes angenehm bleibt.

Um das Tandemstillen erfolgreich zu gestalten, solltest du auf ausreichend Schlaf, eine gesunde Ernährung und Unterstützung im Alltag achten. Es ist auch wichtig, flexibel zu sein und neue Stillpositionen auszuprobieren, die deinem wachsenden Bauch Rechnung tragen.

Denk daran, dass jede Stillbeziehung einzigartig ist. Was für die eine Familie funktioniert, muss nicht unbedingt für eine andere passen. Höre auf dein Gefühl und die Bedürfnisse deiner Kinder, und scheue dich nicht, bei Fragen oder Unsicherheiten professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen.

Fazit

Du hast jetzt einen umfassenden Überblick darüber erhalten, wie Stillen und Schwangerschaft zusammenhängen. Die Laktationsamenorrhö-Methode kann einen zuverlässigen Schutz bieten, wenn du die Kriterien genau befolgst. Wenn du eine neue Schwangerschaft planst, ist es wichtig, auf den richtigen Zeitpunkt und die Vorbereitung deines Körpers zu achten. Sprich offen über deine Pläne.

Eine erneute Schwangerschaft hat einen Einfluss auf dein stillendes Kind und deine Milchproduktion. Die Veränderungen können zu verschiedenen Reaktionen führen, von häufigerem Stillen bis hin zum Abstillen. Tandemstillen ist eine Option, die sowohl Herausforderungen als auch Vorteile mit sich bringt. Höre auf dein Gefühl und die Bedürfnisse deiner Kinder, um den für dich passenden Weg zu finden.


Medically Reviewed

Dieser Text wurde auf Basis von medizinischer Fachliteratur und aktuellen Studien von Medizinredakteur:innen erstellt. Unser Anspruch ist es, wissenschaftlich zu arbeiten, Quellen kenntlich zu machen und die Inhalte regelmäßig auf ihre Aktualität zu prüfen.


Referenzen & Literatur

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In: Schriftenreihe des BMFFG (Hrsg.): Stillen und Muttermilchernährung. 1992 Bonn