Möchtest du dir die Option offenhalten, später einmal Kinder zu bekommen, bist aber noch nicht bereit dafür? Das sogenannte Social Freezing bietet dir die Möglichkeit, deine fruchtbare Zeit zu verlängern und deine Familienplanung selbstbestimmt zu gestalten. Diese moderne Methode der Kinderwunschmedizin ermöglicht es dir, deine Eizellen in jungen Jahren einfrieren zu lassen und sie zu einem späteren Zeitpunkt zu verwenden.
In diesem Artikel erfährst du alle wichtigen Details zum Ablauf des Social Freezing - von den ersten Voruntersuchungen über die Stimulationsbehandlung bis hin zur Eizellentnahme und Lagerung. Du bekommst einen umfassenden Überblick über die Kosten, rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland und die zu erwartende Erfolgsquote. Zusätzlich klären wir wichtige Fragen zur Eierstockreserve und Eizellqualität, damit du eine fundierte Entscheidung treffen kannst.
Was ist Social Freezing?
Definition und Konzept
Social Freezing beschreibt das vorsorgliche Einfrieren deiner Eizellen aus nicht-medizinischen Gründen. Diese Methode ermöglicht dir, deine Fruchtbarkeit zu bewahren und deinen Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt zu verwirklichen. Durch die moderne Vitrifikation (ultraschnelles Einfrieren) können deine Eizellen mit einer Überlebensrate von etwa 88 % aufgetaut werden.
Gründe für Social Freezing
Der häufigste Grund für Social Freezing ist nicht, wie oft angenommen, die Karriereplanung. Tatsächlich geben 88 % der Frauen* an, dass sie noch keinen geeigneten Partner gefunden haben. Nur 24 % nennen berufliche Gründe als Motivation. Ab dem 30. Lebensjahr ist bereits eine Verminderung der Fruchtbarkeit erkennbar, die ab dem 35. Lebensjahr exponentiell zunimmt. Mit 40 Jahren liegt die Chance auf eine natürliche Schwangerschaft pro Zyklus nur noch bei 5 %.
Vor- und Nachteile
Vorteile:
- Erhalt der Fruchtbarkeit mit jüngeren, qualitativ hochwertigeren Eizellen
- Verringertes Risiko für chromosomale Anomalien im Vergleich zu späteren natürlichen Schwangerschaften
- Befruchtungsraten von etwa 74 % bei aufgetauten Eizellen
Zu den Nachteilen gehören die hohen Kosten von etwa 3.000 bis 4.000 Euro für die Grundbehandlung. Die Erfolgsaussichten hängen stark vom Alter bei der Entnahme ab: Bei 30-Jährigen ist jede zweite bis dritte Eizelle befruchtungsfähig, während es bei 40-Jährigen nur noch jede fünfte bis sechste ist. Expert:innen empfehlen, mindestens 20 Eizellen einzufrieren, um die Chancen auf eine erfolgreiche Schwangerschaft zu optimieren.
Der Ablauf des Social Freezing
Der Weg zu deinen eingefrorenen Eizellen besteht aus mehreren wichtigen Schritten. Hier erfährst du den genauen Ablauf des Social Freezing von der ersten Beratung bis zur Lagerung.
Beratungsgespräch und Voruntersuchungen
Deine Social Freezing Reise beginnt mit einem ausführlichen Beratungsgespräch im Kinderwunschzentrum. Hier werden deine persönliche Situation und der individuelle Behandlungsablauf besprochen. Die Voruntersuchungen umfassen einen Bluttest zur Bestimmung deiner Hormonspiegel und eine Ultraschalluntersuchung zur Beurteilung deiner Eierstockreserve.
Hormonelle Stimulation
Die Stimulationsphase dauert etwa 10-12 Tage und beginnt am zweiten oder dritten Tag deiner Periode. Während dieser Zeit:
- Erhältst du tägliche Hormongaben zur Förderung der Eizellreifung
- Werden 2-3 Kontrolluntersuchungen durchgeführt (je ca. 15 Minuten)
- Wird das Wachstum der Eizellen per Ultraschall überwacht
- Erfolgt die Festlegung des optimalen Zeitpunkts für die Entnahme
Eizellentnahme
Die Eizellentnahme erfolgt etwa 36 Stunden nach der finalen Hormongabe. Der ambulante Eingriff wird unter einer kurzen Narkose durchgeführt und dauert etwa 20 Minuten. Dabei werden die Eizellen durch die Vagina mit einer feinen Punktionsnadel aus den Eierstöcken entnommen.
Vitrifikation der Eizellen
Im Labor werden deine Eizellen sorgfältig auf ihre Qualität untersucht. Je nach deinem Alter können zwischen 10 und 20 Eizellen gewonnen werden. Die geeigneten Eizellen werden durch das moderne Vitrifikationsverfahren bei -196°C schockgefroren, wobei eine Überlebensrate von 88 % beim späteren Auftauen erreicht wird.
Lagerung und spätere Verwendung
Deine vitrifizierten Eizellen werden in speziellen Kryobehältern unter Hochsicherheitsbedingungen gelagert. Studien zeigen, dass Lagerungszeiten von bis zu 30 Jahren keinen Einfluss auf die Qualität der Eizellen haben. Wenn du später schwanger werden möchtest, werden die Eizellen aufgetaut und mittels ICSI-Verfahren befruchtet.
Medizinische und ethische Aspekte
Bevor du dich für Social Freezing entscheidest, ist es wichtig, dass du die medizinischen Aspekte und ethischen Überlegungen kennst. Hier erfährst du die wichtigsten Fakten zur Sicherheit und den Erfolgsaussichten der Behandlung.
Gesundheitliche Risiken
Die Hormonbehandlung beim Social Freezing kann verschiedene Nebenwirkungen mit sich bringen. Zu den häufigsten gehören:
- Hitzewallungen und Schwindelgefühle
- Sehstörungen und Übelkeit
- In seltenen Fällen (unter 0,5 %) ein ovarielles Überstimulationssyndrom
- Komplikationsrisiko bei der Eizellentnahme von etwa 0,7 %
Bei späteren Schwangerschaften ab 40 Jahren musst du mit einem erhöhten Risiko für Komplikationen rechnen. Besonders ab dem 45. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit für Schwangerschaftskomplikationen deutlich an.
Erfolgsaussichten
Deine Erfolgschancen hängen maßgeblich von deinem Alter bei der Eizellentnahme ab. Bei 20 eingefrorenen Eizellen ergeben sich folgende Wahrscheinlichkeiten für mindestens eine Lebendgeburt:
- Mit 34 Jahren: 90 % Erfolgsquote
- Mit 37 Jahren: 75 % Erfolgsquote
- Mit 42 Jahren: 37 % Erfolgsquote
Die Überlebensrate der Eizellen nach dem Auftauen liegt bei 80-90 %, wobei die Befruchtungsrate etwa 60-70 % beträgt.
Ethische Diskussionen
Die ethische Debatte um Social Freezing ist vielschichtig. Kritiker:innen sehen die Gefahr, dass junge Frauen* durch gesellschaftlichen Druck zur "Eizellenvorsorge" gedrängt werden. Auch wird diskutiert, dass das Verfahren aufgrund der hohen Kosten nur privilegierten Frauen* zugänglich ist.
Ein wichtiger ethischer Aspekt ist die Frage nach dem Alter: Bei einer 55-jährigen Mutter ist die Wahrscheinlichkeit, vor der Pubertät ihrer Kinder zu versterben, fünfmal höher als bei einer 35-Jährigen. Allerdings wird argumentiert, dass mit steigender Lebenserwartung und besserer Gesundheit im Alter auch die Energie für die Kindererziehung länger erhalten bleibt.
Kosten und rechtliche Rahmenbedingungen
Die finanzielle Planung ist ein wichtiger Aspekt deiner Entscheidung für Social Freezing. Hier erfährst du alle Details zu den Kosten und rechtlichen Rahmenbedingungen.
Kosten des Verfahrens
Die Grundbehandlung für Social Freezing kostet zwischen 4.000 und 9.000 € . Diese Summe setzt sich wie folgt zusammen:
Behandlungsschritt |
Ungefähre Kosten |
Voruntersuchungen & Beratung |
1.000 € |
Hormonstimulation |
1.000 € |
Eizellentnahme & Einfrieren |
2.500-4.000 € |
Jährliche Lagerungskosten |
300-500 € |
Für die spätere künstliche Befruchtung per ICSI fallen zusätzlich etwa 2.000 € pro Versuch an. Da meist mehrere Entnahme-Zyklen notwendig sind, können die Gesamtkosten auf 10.000 bis 20.000 € steigen.
Gesetzliche Regelungen in Deutschland
In Deutschland ist Social Freezing rechtlich erlaubt und unterliegt keinen strengen Einschränkungen. Wichtige rechtliche Aspekte sind:
- Die Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen ist ohne Altersbegrenzung möglich
- Es gibt keine gesetzliche Höchstgrenze für das Alter bei der späteren Befruchtung
- Die Eizellen dürfen ausschließlich für den Eigenbedarf verwendet werden
- Eine Eizellspende ist in Deutschland verboten
Vergleich mit anderen Ländern
Die Kosten und Regelungen unterscheiden sich europaweit deutlich. In der Tschechischen Republik und Griechenland kostet das Einfrieren der Eizellen etwa 1.500 €, während in Spanien rund 2.300 € anfallen. Die Lagerungskosten betragen in den meisten EU-Ländern zwischen 100-300 € pro Jahr.
In Österreich ist Social Freezing nur bei medizinischer Indikation erlaubt. Die Schweiz erlaubt das Verfahren zwar, begrenzt aber die Aufbewahrungszeit auf maximal 10 Jahre (5 Jahre mit einmaliger Verlängerungsmöglichkeit).
Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt die Kosten nur in Ausnahmefällen, etwa bei Krebspatientinnen vor einer Chemotherapie. Dabei gelten folgende Voraussetzungen:
- Du darfst nicht älter als 40 Jahre sein
- Die Behandlung muss vor dem 1. Juli 2021 begonnen haben
Fazit
Social Freezing bietet dir eine wissenschaftlich fundierte Möglichkeit, deine Familienplanung selbstbestimmt zu gestalten. Die Erfolgsaussichten hängen maßgeblich von deinem Alter bei der Eizellentnahme ab, weshalb eine frühzeitige Entscheidung deine Chancen deutlich verbessert. Mit modernsten Einfrierverfahren und professioneller medizinischer Betreuung kannst du deine Fruchtbarkeit für einen späteren Zeitpunkt bewahren, auch wenn die Behandlung mit erheblichen Kosten verbunden ist.
Die Entscheidung für Social Freezing solltest du nach sorgfältiger Abwägung aller medizinischen, finanziellen und ethischen Aspekte treffen. Deine persönliche Lebenssituation und Zukunftsplanung spielen dabei eine zentrale Rolle. Mit dem richtigen Timing und einer realistischen Erwartungshaltung kann Social Freezing dir den Weg zu deinem späteren Kinderwunsch ebnen und dir wertvolle Zeit für wichtige Lebensentscheidungen verschaffen.
Referenzen & Literatur
- Bayerisches Oberstes Landesgericht: Urteil zur Strafbarkeit des Auftauens von kryokonservierten 2-PN-Zellen zum Zweck der Herbeiführung der Schwangerschaft einer Frau, von der die Eizelle nicht stammt (3/2020), unter: www.justiz.bayern.de
- Bundesamt für Gesundheit (BAG): Umgang mit Embryonen nach In-vitro-Fertilisation, unter: www.bag.admin.ch
- Bundesamt für Justiz: Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG), unter: www.gesetze-im-internet.de
- Frank Nawroth, F.: Social Freezing: Kryokonservierung unbefruchteter Eizellen aus nicht-medizinischen Indikationen, Springer Verlag, 2015
- Gnoth, C. & Mallmann, P.: Perikozeptionelle Frauenheilkunde, Springer Verlag, 2014
- Goldman et al.: Predicting the likelihood of live birth for elective oocyte cryopreservation: a counseling tool for physicians and patients. Hum Reprod. 2017 Apr 1;32(4):853-859, unter: https://academic.oup.com/
- Hodes-Wertzet al., Fertility & Sterility (2013)
- IKK Classic, Kinderwunschstudie (2019)
- Petropanagos, A. et al.: "Social egg freezing: risk, benefits and other considerations" in: CMAJ. 2015 187(9):666–669
- Schweizerischen Eidgenossenschaft: Bundesgesetz über die medizinisch unterstützte Fortpflanzung (Fortpflanzungsmedizingesetz, FMedG), unter: www.fedlex.admin.ch
- Swiss Medical Forum: Social Egg Freezing, unter: https://medicalforum.ch/
- Von Wolf, M. & Stute, P.: Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Schattauer Verlag, 2013