Das Herz klopft, der Atem wird schneller, ein Glücksgefühl durchrauscht dich wie ein Feuerwerk: Orgasmen fühlen sich großartig an. Doch was genau passiert dabei im Körper? Wir erklären, was der Höhepunkt in dir auslöst und welche positiven gesundheitlichen Auswirkungen ein Orgasmus hat.
Wieso gibt es Orgasmen?
So wie jede Funktion des menschlichen Körpers hat auch der weibliche Orgasmus seinen Zweck. Neben dem männlichen Höhepunkt, zu dem die Ejakulation gehört, wirkt sich auch der weibliche positiv auf die Befruchtung der Eizelle aus.
Er sei zwar nicht ausschlaggebend oder zwingend notwendig für eine Befruchtung, wirke jedoch förderlich, stellte der österreichische Reproduktionsmediziner und Gynäkologe Johannes Huber fest. Der Forscher ging der Frage nach, welche Funktionen der Botenstoff Oxytocin hat, der beim Orgasmus ausgeschüttet wird. Er sei in der Lage, die Beckenbodenmuskulatur zum Kontrahieren zu bringen, was unter anderem den orgastischen Moment auslöst. Außerdem steigere die hohe Dosierung von Oxytocin die Konzentration des luteinisierenden Hormons (LH), das den Eisprung auslöst. Ist der Eisprung zum Zeitpunkt des Orgasmus nah, wird dieser also begünstigt. Oxytocin sorgt zudem dafür, dass sich die Gebärmuttermuskulatur zusammenzieht. Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Samenzellen durch die Kontraktionen leichter zur Eizelle gelangen könnten.
Das passiert beim Höhepunkt im Körper
Bis zu etwa 30 Sekunden kann der weibliche Orgasmus dauern, der männliche ist meist deutlich kürzer. Die Sexualforscher Masters und Johnson haben in den Sechzigerjahren den Weg von der ersten Erregung bis hin zum Orgasmus der Frau in vier Phasen aufgeteilt:
Erregungsphase:
Die Frau wird feucht (Lubrikation), ihre Klitoris schwillt an, genau wie Brust, Brustwarzen und Vulvalippen. Das Vaginalsekret soll unter anderem das Eindringen des Penis erleichtern, die geschwollenen Vulvalippen geben den Scheideneingang frei. Die Haut rötet sich, Puls und Blutdruck steigen. Muskelspannung und Empfindlichkeit steigern sich im gesamten Körper.
Plateauphase:
Puls, Atemfrequenz und Blutdruck sowie Muskelanspannung steigen. Die Klitoris ist erhöht empfindlich. Durch die Anspannung der Beckenboden und Vaginalmuskulatur sowie das Anschwellen der äußeren Vulvalippen verengt sich die Scheide. Dies nennt sich orgastische Manschette.
Orgasmusphase:
Weiterer Puls-, Atemfrequenz- und Blutdruckanstieg. Es geschieht eine rhythmische Kontraktion der nun angespannten Beckenboden- und Vaginalmuskulatur. Die orgastische Manschette kontrahiert zwischen 4 und 15 mal, es kommt zum Maximum der nervlichen und körperlichen Anspannung. Auch die Gebärmutter sowie der Schließmuskel des Anus können sich rhythmisch zusammenziehen. Ein wohliges Gefühl stellt sich ein.
Rückbildungsphase:
Die Erregung senkt sich, genau wie Puls-, Atemfrequenz- und Blutdruck. Eine große Entspannung ist spürbar: Der Spannungsbogen ist abgeflacht. Bei vielen Frauen macht sich diese Gefühlsentladung durch Schreien, Lachen oder Weinen bemerkbar. Die Vulvalippen schwellen ab und die Klitoris-Eichel, die sich zwischenzeitlich in ihre Vorhaut zurückgezogen hat, tritt wieder hervor für eine erneut mögliche Stimulation. Es kann auch zu einem multiplen Orgasmus kommen, da Frauen im Gegensatz zu Männern wieder umgehend in die Erregungsphase eintreten können.
Gesundheits-Booster Orgasmus
Während des sexuellen Höhepunkts geschieht so einiges im Körper, das sich positiv auf die Gesundheit und die Stimmung auswirkt:
Die Glücks- und Bindungshormone Dopamin und Oxytocin werden ausgeschüttet, was für positive Gefühle und das Nähe- und Kuschelbedürfnis nach dem Sex sorgt.
Außerdem stärken Orgasmen das Immunsystem: Forschungen der US-amerikanischen Wilkes University haben ergeben, dass sich durch die Ausschüttung der Sexualhormone bei einem Orgasmus die Killerzellen, also die Antikörper im Blut verdoppeln.
Während die Konzentration des Power-Hormons Adrenalin steigt, nimmt die des Stresshormons Cortisol um den Höhepunkt ab, wie der amerikanische Neurologe James Couch von der Oklahoma University herausfand. Sex und Orgasmen können also auch Stress lindern.
Einige Studien ergaben außerdem, dass Orgasmen schmerzunempfindlicher machen, und das bis zu 75 Prozent. Dies erforschte die Sexualwissenschaftlerin Beverly Whipple bereits 1985. Dass Sex auch gegen Migräne helfen kann, belegen Forschungen der Universität Münster. Zudem stärken Orgasmen das Selbstwertgefühl. Wir fühlen uns nach dem Sex meist selbstbewusster und haben ein positiveres Körpergefühl.
Vaginaler und klitoraler Orgasmus: ein Mythos?
Die Unterscheidung zwischen dem klitoralen und vaginalen Orgasmus ist weit verbreitet. Die Theorie lautet wie folgt: Während manche Frauen durch die Stimulation der Klitoris-Eichel eher zum Höhepunkt kommen, ist es bei anderen die Stimulation der Vagina.
Studien haben jedoch mittlerweile erwiesen, dass die Klitoris mehr ist als der kleine, äußerlich sichtbare Knubbel. Abseits der Klitoris-Eichel reicht die mit etwa 8000 Nerven versehene und etwa 10 Zentimeter große Klitoris weit in den Beckenboden hinein. Ihre Schwellkörper umschließen dabei eng die Scheide, die selbst mit nur wenigen Nerven durchsetzt ist. Eine Stimulation des vaginalen Kanals bedeutet also automatisch eine Stimulation der Klitoris.
Diese Erkenntnisse entkräften daher die Unterscheidung zwischen klitoralem und vaginalem Orgasmus. Auch der sogenannte G-Punkt ist laut Studien deswegen so empfindlich und stimulierbar, da er sehr nah an Teile der inneren Klitoris grenzt.
Die Libido im Zyklus
Rund um den Eisprung ist die Libido, also die sexuelle Lust, am höchsten: Im Sinne der Fortpflanzung hat die Natur dies so eingerichtet. Das liegt daran, dass das Testosteronlevel dann höher ist als in anderen Phasen des weiblichen Zyklus. Da eine Befruchtung der Eizelle und somit eine Schwangerschaft in dieser Zeit am wahrscheinlichsten sind, signalisiert dir dein Körper mehr Lust auf Sex.
In der Ovy App kannst du deine Libido täglich dokumentieren. Vielleicht stellst du schon bald fest, dass du rund um den Eisprung mehr Lust auf Sex hast. Orgasmen sind nach den oben beschriebenen Erkenntnissen des Sexualforschers Johannes Huber in dieser Zeit also besonders förderlich, wenn du gerne schwanger werden möchtest.
Wir lernen also: Sex und Orgasmen machen nicht nur eine Menge Spaß, sondern sind durchaus auch förderlich für die physische und psychische Gesundheit.
Referenzen & Literatur
- William H. Masters, Virginia E. Johnson, Volkmar Sigusch: Die sexuelle Reaktion. rororo-Sexologie. Rowohlt, Reinbek 1980, Originaltitel: William H Masters, Virginia E Johnson: Human sexual response. Little, Brown and Company, Boston 1966.
- https://www.welt.de/wissenschaft/article111635089/Das-Geheimnis-des-weiblichen-Orgasmus.html
- https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5084726/
- The whole versus the sum of some of the parts: toward resolving the apparent controversy of clitoral versus vaginal
- https://link.springer.com/article/10.1007/BF01542004
- https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/4000685/
- https://sites.psu.edu/siowfa15/2015/12/03/31633/
- https://www.newscientist.com/article/2150180-women-dont-need-to-switch-off-to-climax-orgasm-study-shows/
- https://www.medzino.com/de/gesundheitszentrum/orgasmus-frau/
- https://www.medizin.uni-muenster.de/fakultaet/news/sexuelle-aktivitaet-kann-gegen-migraene-helfen-doktorandin-befragte-400-patienten-zu-ihren-erfahrungen.html
- https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0003347283712728
- https://www.welt.de/wissenschaft/article111635089/Das-Geheimnis-des-weiblichen-Orgasmus.html