Wie sicher sind hormonfreie Alternativen zur Pille?

MEDICALLY REVIEWED

Das Wichtigste vorab

  • Wer auf hormonelle Verhütung verzichten möchte, steht vor einer großen Auswahl an hormonfreien Alternativen.
  • Die Alternativen unterscheiden sich in der Art ihrer Anwendung und Sicherheit.
  • In diesem Artikel stellt Dr. med. Rieke Hermann, Ärztin für Gynäkologie die verschiedenen hormonfreien Verhütungsalternativen vor und beschreibt ihren individuellen Verhütungsschutz.

In den letzten Jahren hat sich die Einstellung zu hormonhaltigen Verhütungsmethoden stark verändert. Die Pille ist mehr und mehr in Verruf geraten und so stellen sich viele Patient:innen mit dem Wunsch nach einer alternativen, aber sicheren, hormonfreien Verhütungsmethode in der Praxis vor. In diesem Blogartikel stellt Dr. med. Rieke Hermann, Ärztin für Gynäkologie die verschiedenen hormonfreien Verhütungsalternativen vor und beschreibt ihren individuellen Verhütungsschutz. Da bei der Verhütungsberatung immer auch die individuellen und persönlichen Umstände der Frau* eine Rolle spielen, sollte die Entscheidung gemeinsam mit behandelnden Ärzt:innen erfolgen.


Hormonfreie Verhütungsmethoden

Barrieremethoden 
Kondom 
Das Kondom ist die wohl bekannteste Verhütungsmethode für den Mann*. Durch die Barriere wird das Aufsteigen der Spermien in die Gebärmutter und damit die Befruchtung der Eizelle verhindert. Als einziges Verhütungsmittel bietet es zusätzlich einen gewissen Schutz vor sexuell übertragbaren Erkrankungen. 

Diaphragma 
Das Diaphragma ist ein flexibler Ring, der mit Silikon oder Latex überspannt ist und vor dem Geschlechtsverkehr in Kombination mit einem Spermizid Gel tief in die Vagina eingeführt wird. Es verhindert den Kontakt des Penis mit dem Muttermund und wirkt so wie eine Barriere für die Spermien. 

Operative Methoden 
Vasektomie
Bei der Vasektomie werden die beiden Samenleiter des Mannes* durchtrennt, so dass keine Spermien mehr in das Ejakulat eintreten können. 

Sterilisation 
Bei der Sterilisation der Frau* werden die beiden Eileiter durchtrennt, so dass die Spermien und die befruchtungsfähige Eizelle nicht mehr zueinander finden können. 

Intrauterinpessar
Das am häufigsten eingesetzte hormonfreie Intrauterinpessar ist die Kupferspirale. Alternative Systeme wie die Kupferkette oder der Kupferball wirken über das gleiche Prinzip und unterscheiden sich lediglich in ihrer Form. Alle Intrauterinpessare werden über die Vagina in die Gebärmutter eingesetzt. Eine lokale Umgebungsreaktion in der Gebärmutterschleimhaut und das Absterben der Spermien beim Kontakt mit den Kupferionen verhindern sowohl die Befruchtung, als auch die Einnistung der Eizelle. 

Natürliche Familienplanung 
Alle Methoden der natürlichen Familienplanung basieren auf der Beobachtung einer oder mehrerer Körperparameter zur Ermittlung der fruchtbaren und nicht fruchtbaren Tage während des Menstruationszyklus. 

Symptothermale Methode
Durch die symptothermale Methode kann sowohl der Zeitpunkt des Eisprungs und die gesamte fruchtbare Phase bestimmt, als auch die zweite Zyklushälfte überwacht werden. Dies basiert auf der kontinuierlichen Messung der Basaltemperatur und der Beschaffenheit des Zervixschleims und des Muttermundes.

Temperaturmethode
Die Temperaturmethode zielt darauf ab, den Beginn der zweiten Zyklushälfte und damit die Zeit nach dem Eisprung zu bestimmen. Dafür wird vor dem Aufstehen die Basaltemperatur gemessen, die in der ersten Zyklushälfte (vor dem Eisprung) etwas niedriger ist, als in der zweiten Zyklushälfte bis zur Menstruation. 

Kalendermethode
Bei der Kalendermethode werden der Eisprung und die fruchtbare Phase vor dem Eisprung anhand der Zykluslänge berechnet. Ausgehend davon, dass die Menstruation (bei einem gesunden Zyklus) 12-14 Tage nach Eisprung einsetzt, kann so die fruchtbare Phase berechnet werden. 

Coitus interruptus
Beim Coitus interruptus („unterbrochener Geschlechtsverkehr“) erfolgt die Ejakulation des Mannes* außerhalb der Vagina und Vulva der Frau*. Der Mann* zieht also vor dem Samenerguss den Penis aus der Vagina heraus, sodass die Spermien nicht zur Eizelle vordringen können. 

Woran erkenne ich, wie zuverlässig Verhütungsmittel sind? 

Zur Ermittlung des Verhütungsschutzes eines Verhütungsmittels wird häufig der Pearl-Index zur Hilfe genommen. Der Pearl-Index ist ein internationaler Maßstab für die Zuverlässigkeit eines Verhütungsmittels. Er gibt an, wie viele sexuell aktive Frauen* unter der Verwendung eines bestimmten Verhütungsmittels binnen eines Jahres schwanger werden. Der Pearl-Index bezieht sich dabei auf 100 Frauen*, die ein Jahr lang dasselbe Verhütungsmittel verwenden. Angegeben wird der Wert jeweils bei korrekter und typischer Anwendung. Dabei ist ein niedriger Pearl Index mit einer höheren Sicherheit verbunden. (Beispiel: Ein Pearl-Index von 1-3 bedeutet, dass 1 Frau von 100 bei korrekter und 3 Frauen von 100 Frauen bei typischer Anwendung, unter der Verwendung des gleichen Verhütungsmittels in einem Jahr schwanger werden).

Welches hormonfreie Verhütungsmittel ist das sicherste? 

Im folgenden ist eine Übersicht der oben beschriebenen hormonfreien Verhütungsmethoden mit ihrem jeweiligen Pearl-Index.

 

Kondom

2-12

Diaphragma*

6-14

Kupferspirale

0,3-0,8

Symptothermale Methode

0,4-1,8

Temperaturmethode

3,8-20

Kalendermethode

9-30

Coitus interruptus

4-18


*Unter gleichzeitiger Verwendung eines Spermizidgels. 

Aus der Tabelle lässt sich erkennen, dass die sicherste hormonfreie Verhütungsmethode die Kupferspirale ist. Die Einlage der Kupferspirale ist jedoch ein minimalinvasiver Eingriff, den nicht jede Frau* toleriert, ebenso kommt es häufig zu Nebenwirkungen, die viele Frauen* nicht in Kauf nehmen möchten. Unter korrekter Anwendung ist die symptothermale Methode eine vergleichbar sichere Verhütungsmethode, die die Frauen in kurzer Zeit erlernen und nebenwirkungsfrei in ihren Alltag integrieren können. 

Für wen eignet sich die symptothermale Methode nicht?

Die symptothermale Methode setzt eine gewisse Motivation voraus, sich aktiv und über einen längeren Zeitraum mit seinem Menstruationszyklus auseinanderzusetzen. Die Messung der Basaltemperatur, die Beobachtung des Zervixschleims und ggf. das Abtasten des Muttermundes sollte über einige Zyklen geübt werden, um eine sichere Voraussage über die fruchtbare Phase machen zu können. Für Frauen, die einen sehr langen und unregelmäßigen Zyklus haben, kann die Auswertung der Parameter erschwert sein. Insbesondere während der Pubertät und in den Wechseljahren können Zyklen ohne oder mit einem sehr späten Eisprung, sowie Schwankungen der Basaltemperatur gehäuft vorkommen, weshalb die Methode unter 18 Jahren und in der hormonellen Umstellungsphase nicht empfohlen wird. Ebenso können Faktoren wie z.B: wenig Schlaf, Erkrankungen, Stress, ungesunder Lebensstil zu Schwankungen der Temperaturkurve führen oder eine regelmäßige Dokumentation und Auswertung der Parameter unmöglich machen. Die symptothermale Methode zur Empfängnisverhütung setzt außerdem voraus während der fruchtbaren Tage beim Sex zusätzlich ein weiteres Verhütungsmittel wie ein Kondom oder Diaphragma zu verwenden oder während dieser Zeit abstinent zu bleiben. Wichtig zu erwähnen ist, dass die Methode nicht vor sexuell übertragbaren Erkrankungen schützt und das Eintreten einer Schwangerschaft, wie auch bei allen anderen genannten Verhütungsmethoden, nicht zu 100% auszuschließen ist. 

Welche effektive Methode eignet sich beim Kinderwunsch?

Nicht nur für die Empfängnisverhütung, auch für die Kinderwunschzeit, ist es wichtig, die fruchtbaren Tage im Zyklus zu erkennen. Die fruchtbaren Tage beginnen bereits fünf Tage vor Eisprung. Um diesen Zeitraum zu ermitteln, kann die symptothermale Methode oder auch die Temperaturmethode eine große Hilfe sein. Denn bereits kurz vor dem Eisprung verändert sich die Qualität des Zervixschleims und auch der Muttermund wird fühlbar weicher und verändert seine Position in der Scheide. Am Tag des Eisprungs oder spätestens einen Tag danach steigt dann die Basaltemperatur und bestätigt den stattgefundenen Eisprung. 

Fazit von Fr. Dr. med. Hermann über die symptothermale Methode: 
Abschließend kann ich sagen, dass die symptothermale Methoden für viele Frauen, die sich eine sichere und hormonfreie Verhütung wünschen, eine gute Lösung sein kann. Die wichtigste Voraussetzung ist es, dass die Motivation da ist, sich mit seinem Körper und seinem Zyklus auseinanderzusetzen. Neben der Verhütungs- und Kinderwunschplanung sehe ich darin einen riesigen Vorteil für Frauen, wieder näher in den Kontakt mit sich selbst zu kommen und auch Zyklusunregelmäßigkeiten frühzeitig zu erkennen. Da nicht jede Verhütungsmethode für jede Frau passend ist, ist eine individuelle Verhütungsberatung durch behandelnde Frauenärzt:innen besonders wichtig.

 


Medically Reviewed

Dieser Text wurde auf Basis von medizinischer Fachliteratur und aktuellen Studien von Medizinredakteur:innen erstellt. Unser Anspruch ist es, wissenschaftlich zu arbeiten, Quellen kenntlich zu machen und die Inhalte regelmäßig auf ihre Aktualität zu prüfen.

Referenzen & Literatur

  1. Pro Familia, der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.